Samstag, 26. März 2016

Girly Talk

Irgendwann und irgendwo im Nirgendwo. Ein kurzes Wochenende in Brandenburg. Pure Weite für Auge und Herz. Geliebtes gelobtes Land. Ich teile die Matratze mit meiner Nichte. Fair. Natürlich. Sie bekommt 80 bis 95 Prozent. Und ich den Rest. Manchmal bekomme ich auch eine Hand ins Gesicht. Oder einen Knuff in die Nierengegend. 

Meine Nichte scheint in ihrer Großzügigkeit zu ahnen, dass man solch eine Nacht nicht lange unumstritten gut finden kann. Daher weckt sie mich kurz nach halb sieben. Morgens. An einem Sonntag. Das ist so nett. Zu diesem Zweck flüstert sie mehrfach "Tiiiiinäh". Als ich sie anblinzele und "noch füüünf Minuten" fordere, schlägt sie die Augen nieder. Danach atmet sie zweimal überdeutlich aus. Sie schnauft. Als trage sie die Last der ganzen Welt auf ihren noch nicht mal vier Jahre alten Schultern. 

"Wasnnnnn???" frage ich sie beim dritten Seufzer. Hätte ich mal besser nicht... 

Im Kindergarten. Also. Das ist so... Der Rocco, Rico, Leon, Dean, Torben oder irgendein Hendrik (ich habe nicht richtig zugehört, Asche aufs Haupt der Tante) macht es ihr offenkundig nicht leicht. Manchmal ist er ganz lieb zu ihr. Dann spielt er nur mit ihr, zum Beispiel Mutter-Vater-Kind. Und zwar nur mit ihr. Sie möchte - das möchte meine Nichte nicht unerwähnt lassen - später einmal fünf Kinder haben, wenn sie so groß ist wie ich. Das macht sie jedem Menschen klar. "Okayyyy", sage ich. Später wollen der Rocco, Rico, Leon, Dean, Torben oder irgendein Hendrik und sie vielleicht auch heiraten. "Na gut", sage ich. Ich fühle mich nicht munter genug, diesen Redeschwall durch meine Lebensweisheiten zu unterbrechen.

Aber dann wieder ist Leon-Dean-Torben-Hendrik nicht wirklich lieb zu ihr. Dann ärgert er sie sogar. Mit so kneifen und so. Da ärgert sie zurück (Stolz erfasst das Tantenherz). Und manchmal tut Dean-Torben-Leon sogar so, als sei sie gar nicht da (das Tantenherz schnaubt wütend aus). Sie macht das jetzt genauso, hat meine Nichte beschlossen. Das unterstreicht sie, indem sie jetzt aufsteht und sich grinsend ihrer Spielzeugkiste widmet. Ich schaue auf mein Handy. Ein "na du ... meld dich doch mal wieder" steht da. Als ob ich damit angefangen hätte. Kindergarten!