Sonntag, 16. Juli 2017

Werbeunterbrechung

Es sind nur 27 Sekunden. Ich finde sie schlimm, mich stresst das schon beim Zusehen. Das Ganze ist Werbung für eine Süßigkeit, die man - Werbung wirkt wohl doch - normalerweise morgens halb zehn in Deutschland zum Frühstückchen konsumiert. Davon ist diesmal nix zu hören. Dafür singt ein Junge im Alter von vielleicht zehn Jahren von seinem Alltag zwischen Schule, Musikunterricht, Sport, wieder Schule, wieder Sport. Die Musik ist schnell und alles wirkt dadurch noch stressiger. Und mittendrin gibt es für ihn "einfach mal 'ne Pause", wie er sehnsüchtig von einer "Auszeit" singt. Die Musik wird dafür kurz langsamer, nimmt dann wieder Fahrt auf - genau wie der Junge - und zackig ist die Werbung vorbei. Seht hier selbst.

Erwachsene sind gestresst. Okay. Das ist oft genug ein Einfluss von außen, oft genug selbst verschuldet und dass es so oder so negative Folgen für die Gesundheit hat, ist ja klar. Ein voller Terminkalender sei noch lange kein erfülltes Leben, soll Tucholsky gesagt haben. Stress ist für Erwachsene also ziemlich blöd. Dass aber nun die Lebenswirklichkeit von Kindern ebenfalls als so "ausgefüllter" Terminkalender dargestellt und damit leider viel Wahres gesagt wird, ist doch ziemlich scheiße.  

Kinder haben volle und richtig lange Schultage, kommen damit häufig schon auf eine 40-Stunden-Woche. Ein Hobby ist sicher toll, aber oft genug haben selbst Kinder so viel Freizeitstress, dass sie jeden Tag nach der Schule und am Wochenende noch einen Termin einzuhalten haben. Sie haben genau wie Erwachsene immer was zu tun und eilen von einer Verpflichtung zur nächsten. Kein Wunder, dass der Junge sehnsüchtig von einer Pause singt. Und in dieser "Pause" sitzt er auch nur da und mampft eine Süßigkeit. Warum das nicht gut ist, steht auf einem anderen Blatt. 

Ich fürchte: Wenn der Junge groß ist, wird das Wort "Müßiggang" vielleicht gar nicht mehr im Duden stehen - weil niemand mehr damit was anzufangen weiß. Oder das schöne Wort wird endgültig als "abwertend" deklariert sein. Genau wie  "Faulenzen" oder "Nichtstun", dabei ist das das schönste Gefühl der Welt. Wir verlernen, einfach mal zu sein und nichts weiter als genau das zu tun. Und jetzt wird in der Werbung auch noch gefeiert, dass das schon bei Kindern so ist. Traurige Aussichten sind das. Oder? Astrid Lindgren, die sich mit Menschen aller Altersklassen auskannte, soll mal gesagt haben: "Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen." Zeit wird's mal wieder ...