Donnerstag, 9. April 2015

Der Vlog in meinem Herzen

Dieses Internet, tzzzz, es hat sich als Neuland für mich erwiesen. Vermutlich - ich will gar nicht wissen, was dieses Ding alles genau über mich weiß -, weil ich in letzter Zeit ein paar Videos der Yoga-Rebellin (was immer das nun wieder ist) Tara Stiles gesehen und nachgeturnt habe, wurde mir bei Youtube wiederum ein Video vorgeschlagen, in dem sie interviewt wird. Von einem blonden Mäuschen (ich kann den abschätzigen Ton in dieser Sache nicht lassen und: I'm not sorry...) wird sie darin bei einem Deutschlandbesuch zum Thema Lifestyle befragt. 

Von dort an wurden mir weitere Videos des blonden Mädchens vorgeschlagen und die habe ich geschaut. Und dann wurden mir weitere Videos von weiteren blonden Mäuschen vorgeschlagen. Und auch davon habe ich einige geschaut. Es muss die Floskel bedient werden:

Es war alles wie ein Autounfall - 
ich wollte nicht hin-, konnte aber auch nicht wegsehen. 

Alle diese jungen blonden (aber auch brünetten) Mäuschen haben eins gemeinsam - sie haben Vlogs, also Video-Blogs. Sie erzählen dort wort- und natürlich bildreich - und das bei unfassbar vielen Klicks - von ihrer morgendlichen und/oder abendlichen Hautpflegeroutine oder anderen Tagesroutinen. Heißt: Sie führen das alles vor. Wie sie sich das Gesicht waschen und welches Produkt sie dafür verwenden - und warum. Wie sie sich morgens Müsli oder einen Kaffee zubereiten. Oder was sie eben im Drogeriemarkt gekauft haben. Was sie für ein neues Outfit haben. Nicht fehlen darf: eine immer mal bis ständig ins Piepsige kippende Stimme, Aussagen wie "Die musste ich unbedingt haben" über Creme oder Mascara, Schuhe oder Hosen, Birnen oder Äpfel. Auch immer dabei: das Ziehen einer Schnute, das Halten von lächerlich bunten Nagellackfläschchen aber auch Lebensmitteln in die Kamera und noch ein paar andere Finessen, die ich mir wegen des Traumas nach dem wiederholten Unfall nun nicht alle gemerkt habe. 

Moment mal ... sollte ich vielleicht auch einen Vlog einrichten? Die Spiegelreflex-Kamera, die ich beruflich nutze hat auch eine Videofunktion. Ich könnte dann Filme ins Netz blasen, in denen ich das Übergießen meines Müslis mit Mandelmilch (diese Mädchen nehmen nie, nie, nie einfach Kuhmilch so wie ich) mit einem Ausruf der Verzückung garniere. Und dann könnte ich so tolle Tipps geben, wie sich ein paar frische Obststücke übers Müsli zu streuen, damit es abwechslungsreicher und "sooooooooo gessssunnddd" ist. Ich könnte die Müslischüssel in die eine und meinen Kopf in die andere Richtung neigen, mich freuen als hätte ich gerade erfolgreich Coq au vin zubereitet, die Schüssel abstellen und eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern drehen und versonnen lächeln. Ich könnte dann noch erzählen, dass ich eben im örtlichen Drogeriemarkt war und die Zahnbürste, das Klopapier und die fit-Flasche "unbedingt" pieps "haben musste".

Ich könnte es auch einfach lassen und nur über meine Verwunderung bloggen. In meinem Alter macht man das so. Und schon das ist eigentlich seltsam genug. Außerdem habe ich kurze, brünette Haare und kann sie nicht zwischen meinen Fingern zwirbeln.

Ja! Ganz bewusst habe ich keinen dieser Vlogs verlinkt. Ich will keine dieser Damen im Speziellen "hervorheben", den persönlichen Neuland-Unfall könnt Ihr selbst ergoogeln, youtuben, klicken - kleiner Tipp: meistens kommen Stichworte wie "Morgenroutine", "Beauty", "HAUL" oder "HACK" vor (ich weiß auch nicht, was das alles sein soll).

Montag, 6. April 2015

Pippi-Langstrumpf-Detox

Ein langes und entspanntes Osterwochenende liegt hinter mir. Ich habe mich am Easter Social Media Detox probiert und auf Facebook, WhatsApp und - so weit möglich - das Smartphone insgesamt verzichtet. Wobei ich den Grund-Madhavi-Vorschlag also etwas abgewandelt habe. Ich habe zum Beispiel keine Strichliste geführt, wenn ich doch mal zum Telefon gegriffen habe. Und trotz Anreiz der auch angeregten und von mir angestrebten kompletten Handy-Detox-Version (Digital Detox) habe ich das Telefon nicht ganz unbeachtet gelassen. "Pippi-Langstrumpf-Detox" würde ich das insgesamt nennen ... Detox - so gemacht, wie es mir gefällt. Das Ergebnis bleibt: Es hat mir nix gefehlt, am allerwenigsten das sogenannte soziale Netzwerk.


Wobei es ein Aber gibt. Wie immer. Da ich als Lokaljournalistin über gute Infos und Kontakte zu örtlichen Feuerwehr verfüge, haben mich zwei Einsätze am Sonntagmittag notgedrungen zum Smartphone greifen lassen. Eine Zwangshandlung, möchte ich betonen ... Der Fotografenkollege hat sich daran gewöhnt, dass ich ihm bei heulender Sirene die Einsatzorte via WhatsApp-Nachricht durchgebe. An dieser Stelle habe ich meinen Detox-Kodex des Wochenendes also verletzt. Diese kurze Zeit des Onlineseins - beide Einsätze fanden zum Glück für das Detoxen in kurzer Folge statt - habe ich ausschließlich dafür genutzt, den Kollegen zu informieren und die bis dahin 23 auf meinem Account eingegangenen Nachrichten komplett ignoriert und sie ungelesen gelassen.

Und? Mir fehlte nix, kein Gefühl des Verpassens oder der Neugier stellte sich bei mir ein. Vielmehr ein Gefühl der Entlastung. Keine unnötigen Informationen fluteten mein Hirn. Ich habe lieber echte Bücher gelesen.

Ich habe ansonsten ganz bewusst - ein- bis zweimal täglich - zum Smartphone gegriffen. Und zwar dann, wenn es mir wichtig - und das hieß für mich vor allem familiär - war. Freundlicherweise hat mein Handy nämlich eine Ruhefunktion, die man zu bestimmten und programmierbaren Zeiten oder zwischendurch einlegen kann. Oder eben auch mal ein ganzes Wochenende. Ich habe die Funktion so programmiert, dass nur meine Familienmitglieder und beste Freunde durchgestellt werden. So tauschte ich SMS mit meinen Brüdern aus. Ich detoxe doch nicht vor meinen Brüdern!

Die Auszeit von den Zeiträubern tat gut

Denn es stimmt: Man gewinnt Zeit ohne das Smartphone, ohne Facebook und ohne den ganzen anderen Kram. Ich habe diese sinnvoll genutzt und meine komplette - eigentlich schon sehr vorbildlich ordentliche - Wohnung auf den Kopf gestellt, fein säuberlich entrümpelt und an manchen Stellen umgestaltet. Zwischenzeitlich sah es nach einem Einbruch aus, bei dem kriminelle Subjekte sämtliche Schrank- und Regalinhalte wild verstreut haben. Beim Aufräumen habe ich Ballast abgeworfen, viele Dinge (auch in meinem Kopf) sortiert und Kram neu arrangiert.

Drei Säcke für die Altkleidersammlung, eine Kiste für das offene Leih- und Tauschbücherregal der örtlichen Initiative, gut und gerne fünf Kilo Altpapier (Zeitschriften ohne Ende) und drei eingetrocknete Nagellackfläschchen später sieht es nun gewohnt wohnlich und aufgeräumt frisch aus.

Eine ganze Wand habe ich durch Umsortierung von einem Regal befreit und erfreue mich nun am Blick auf die jungfräulich weiße Fläche. Ein bisschen lieb gewonnener Firlefanz ist trotz der großen Aufräumaktion noch da. Ich habe immer noch mehr Bücher als Zeit sie alle zu lesen, einen Schrank voller nix anzuziehen, mehr Schuhe als Gelegenheiten sie zu tragen, mehr Mascara als Wimpern und eine Flasche pinken Nagellack, den ich vermutlich erst in fünf Jahren mal wieder aus einer Laune heraus auf die Zehennägel bringen werde ... mein Buden-Detox fühlt sich trotz dieser Sachen, bei denen die heiligsten aller Detoxer vielleicht laut "Doppelmoral" schreien wollen, fabelhaft und befreiend an.

Detox ... ein blödes Wort eigentlich ...

Es ist nach wie vor in aller Munde, Trend und Thema, alles und alle sind scheinbar im Detox-Wahn (siehe Easter Social Media Detox) ... Schaue ich mich allein mal in der örtlichen Buchhandlung um, umzingeln mich Titel zum Detoxen aller Art - Detox mit Yoga, Detox mit Yin und Yang Yoga, Detox mit grünen Smoothies, Easy Detox mit Wildkräuter-Smoothies, Green Detox, Detox Coach, Beauty Detox Plan, Simple Detox, Detox-Kochbuch, Detox - Ganzheitlich entgiften, Body Detox, Vegan leben - Detox, usw., etc. ... sogar spezielle Musik wird angeboten.

Der Ratgeberliteratur anhaftend, hätte ich das vergangene Wochenende also neben Handy- und Buden-Detox, sprich Entrümplung, gleich zu noch mehr Reinigung, Entgiftung, Entschlackung und Neustart nutzen können ... um nach Ostern eine Wiedergeburt als unfassbar fitter, gesunder, strahlend schöner Mensch zu feiern, der sich unheimlich wohl in seinem Körper fühlt? (Gesundheit, Fitness, Schönheit, besseres Körpergefühl versprechen die Detox-Ratgeber allesamt)

No, no, no! Da bin ich für Detox-Detox ... 

Ich glaube nicht, dass sich eine große Wunderkur einstellen würde, wenn ich nur pürierten Spinat trinke und vier Stunden täglich auf meiner Yogamatte zubringe. Das mache ich doch schon jeden Tag ... Spaß beiseite: Ein bisschen Spaß muss sein ...Ich glaube nicht, dass eine in so manchem dieser Bücher vorgeschlagene Darmspülung einen hohen Spaßfaktor mit sich bringt. Warum komplett auf Koffein verzichten, wenn man grünen Tee und Espresso gelegentlich gerne schmeckt? Wieso Grünkohl zu einem Smoothie pürieren, wenn man würgen möchte bei dem Geschmack? Wieso verkrampft entschlacken, wo es nichts oder kaum etwas zu entschlacken gibt? Warum zwanghaft nach Optimierung streben, wenn man sich wohlfühlt? Warum Omas selbstgebackenen Kuchen wegen "bösem" Weißmehl strikt ablehnen? Was ist denn da mit dem Wichtigsten, der Lebensfreude?

Detox-Potenzial und -Not kann ich bei mir nicht gerade erkennen. Und: Ich kaufe - so gut möglich - regional und saisonal, verzichte nach Möglichkeit auf unnützen Verpackungsmüll und trage meinen Wocheneinkauf die knapp 800 Meter vom Konsum in einem Stoffbeutel nach Hause. Ich konsumiere gerne und sehr häufig Bio-Produkte. Aber nicht ausschließlich. Wobei ja kaum was "bioer" sein könnte als die selbstgemachte Marmelade meiner Schwägerin, die sie aus Früchten aus ihrem eigenen Garten oder den Wäldern Brandenburgs kurz hinter ihrem Haus zubereitet und die sie in wieder verwendete Bio-Gemüsestreichgläser füllt. Und mein Neffe imkert selbst Honig, der ist lecker und erinnert mich immer an ihn, wenn ich mir heißen Ingwer-Zitronen-Honig-Mix zubereite. Würde ich moderne Ratgeberliteratur schreiben, man könnte es "Soulfood" nennen.


Ich denke nicht über mein Essen nach, ich esse nach Lust und Laune. Mein Körpergefühl ist obendrein bestens. Das alles passiert unverkrampft, undogmatisch und einfach nur, weil es mir so am allerbesten schmeckt, mir gerade besonders Spaß macht und mein Appetit einfach gesund is(s)t.

Klar könnte ich auch mal eine Weile auf das Tässchen Koffein am Morgen verzichten, nur Rohkost essen oder tagelang nur Suppe aus Bio-Gemüse löffeln und so mal so richtig entschlacken. Aber wenn ich in mich und meinen Körper hineinhorche - macht man wohl so, sagen die Ratgeber - höre ich keinen Detox-Bedarf. Jetzt nur zwecks Detox- und Selbstoptimierungswahn und weil es - angeblich - alle machen, pürierten Grünkohl zu mir zu nehmen, fände ich krampfig belastend und erfreue mich lieber an "Sünden" wie dem Glas Sekt, das mir eine Freundin am Samstag beim Bummel durch die Stadt ausgab und das mein Wochenende so schön versüßte.

Ein Buch "Detox mit Yoga" hab ich mir übrigens trotzdem noch gekauft - schon weil ich dem örtlichen Buchhändler so gerne beim Detoxen seiner Regale helfe. Das gute und informative Buch beinhaltet auch eine CD, auf der unter anderem Atem-Übungen von der warmen, weichen Autorinnenstimme angeleitet werden. Atem-Übungen kommen bei mir und meiner Art Yoga (täglich, und täglich bis zu einer Stunde) sonst gerne mal zu kurz, daher habe ich frei gewordenen Platz im Bücherregal und die Liste zu lesender Bücher einfach wieder gefüllt.


Und nachher - vermutlich nach einer kleinen Pippi-Langstrumpf-Yogasession, die Regeln mache hier nämlich ich - schau ich mal wieder zu Facebook. Vielleicht ... Sehr wahrscheinlich, nur um festzustellen, dass ich absolut nichts verpasst habe und mich dann in die Arbeit zu stürzen: Detox der "Freundes"liste!


UPDATE: War bei Facebook und anderen. Mein Mail-Postfach quillt über. Dazu mittlerweile 28 WhatsApp-Nachrichten (zum Großteil unwichtig), fünf Facebook-Nachrichten (ebenfalls größtenteils unwichtig), 24 sonstige Facebook-Benachrichtigungen (erst recht sinnlos) und vier Freundschaftsanfragen. Ich habe aber erstmal meine "Freundes"liste um 30 gekürzt und werde vermutlich noch weitere Karteileichen entfernen.

Mittwoch, 1. April 2015

Fasten-Kur

Danke, ich verzichte ... Vor wenigen Tagen saß ich mit zwei lieben Freunden auf meiner Couch, wir tranken Kaffee und Tee und unterhielten uns einfach nur nett. Dazu löffelten wir Eis. Ein einfach netter Nachmittag. Dann vernahm ich, dass mein Freund verkündete, sich von jenen Facebookfreunden entfreunden zu wollen, die eine von ihm erstellte Produktseite auch nach mehrmaliger Einladung nicht liken würden beziehungsweise liken wollen ...nicht um ein rhetorisches Mittel zu bedienen, sondern tatsächlich schoss mir ein "Mooooomennnnt mal!" durch den Kopf und der begann zu rattern, ob diese angeblich sozialen Netzwerke zu einem Maß der Dinge geworden sind, das sie keinesfalls sein dürften ...

Wenig später stieß ich - Ironie unseres multimedialen Schicksals - über das soziale Netzwerk auf einen Beitrag meiner neuesten Blog-gerne-lesen-immer-neugierig-drauf-Entdeckung Madhavi, die genau das propagiert, was mir nun wie "Faust auf Auge" und "Arsch auf Eimer" sehr gut in den Kram meiner Gedanken passt:


Lest den Madhavi-Text wirklich mal durch und denkt drüber nach, einfach oben auf den Link klicken! Aber kurz gesagt: Man verzichtet ein paar Tage auf die sozialen Netzwerke und am besten macht man gleich einen "Digital Detox" daraus und lässt auch das Smartphone links oder rechts ... oder auf irgendeinem Tisch oder in der Handtasche oder sonstwo liegen ... Mach ich! ... also ich versuche es zumindest ...

Weil ich ein kleiner Streber mit Hang zur Weltverbesserung bin, habe ich den Link zum "Social Media Detox zu Ostern" via Facebookmessenger und WhatsApp-Nachricht (haha, jaja, ich weiß um die latente Dummheit dabei) an Freunde versendet. Einer meiner Kumpels sprang sofort darauf an und plant mit zu detoxen. Als wir uns gestern zum Kaffee trafen, griff er wie immer wiederholt zu seinem Smartphone, stockte dann irgendwann angesichts seiner Sucht und zeigte mir stolz das Profilbild, welches er für seine Zeit des Fastens bei WhatsApp nutzen will: es zeigt einen gezogenen Stecker, um dann wenig später wieder nach dem Handy zu greifen. Ich schob meines derweil vom Tisch in die Tasche. Auch ein Anfang.

Ich habe den Madhavi-Text natürlich auch auf meiner Facebook-Seite verlinkt und gepostet als "lesens- und umsetzenswert". Keiner meiner knapp 300 "Freunde" hat das bislang mit einem Like versehen. Na, wenn das mal nicht Konsequenzen hat ...