Dienstag, 30. April 2019

Was stimmt nicht mit mir?

Da sitze ich nun. Bei einer Party, zu der ich nicht wollte. Weil ich Feiern ohnehin nicht (mehr) viel abgewinnen kann. Vielleicht ist es meine angeborene Schüchternheit. Vielleicht mag ich auch einfach größere Ansammlungen von Menschen nicht. Oder vielleicht mag ich Menschen einfach nicht. Fakt ist: Ich kann Frauen nicht leiden. Oder Frauen können mich nicht leiden.

Nee. Quatsch. Leiden kann ich sie schon. Ich sage zwar gerne mal, dass ich Menschen hassen und lieber mal Urlaub in den Misanthropen machen würde, doch im Grunde kann ich Menschen sehr gut leiden und bin ein nettes Exemplar, also kann ich auch weibliche Menschen leiden. Ich kann nur nicht so gut mit ihnen. Oder sie können nicht so gut mit mir. Oder ich kann für einen Moment nicht so gut mit mir selbst. Hach. Es ist kompliziert.

Es ist nämlich so, dass mich der Umgang mit Frauen bzw. der Umgang mit den meisten von ihnen vor eine quälende Frage stellt:

Was stimmt nicht mit mir?


So lautet die Frage, die dann immer wieder in meinem Kopf auftaucht und ihre selbstzweiflerischen Runden dreht.

Bei solchen Feiern ordnet man(n) mich nämlich gerne den Frauentischen und Frauenrunden zu. Da sitze oder stehe ich dann und frage mich, was nicht mit mir stimmt. 99 Prozent der Gespräche zwischen den anderen Frauen und mir ersterben nach etwa zwei Minuten. In etwa so:

Gerade hat eine der anderen Frauen ein etwa fünfminütiges Referat über das Putzen gehalten und diverse ihrer Tätig- und Fertigkeiten dabei detailliert beschrieben. Enthalten waren dabei auch Produkttipps, auf die die anderen Frauen bereitwillig eingegangen sind und wiederum ihre Tipps zum Besten zu geben wussten. Was stimmt nicht mit mir? Ich putze auch. Sogar regelmäßig. Meine Wohnung ist echt in einem ziemlich okayen Zustand. Aber ich rede nicht darüber, wie dieser Zustand erlangt wird, schon gar nicht rede ich mit derartiger Expertise über Details des Putzens. Ich mache es halt einfach. Ich kann dazu echt nicht referieren, weder mit Abscheu noch mit Begeisterung. Ich habe keine Meinung zum Putzen. Was stimmt nicht mit mir?

Wenig später spricht eine andere Frau darüber, dass sie gegen halb sechs aufsteht, um sich für den Tag bereit zu machen. Das heißt für sie: Haare in Form bringen, Make-up auftragen, Kleidung auswählen. Vor allem ihre Haare würden zirka 45 Minuten Zeit beanspruchen. „Die liegen nicht von Natur aus so“, streicht sie sich durch ihre Kurzhaarfrisur. Ich denke – durchaus auch mit feinen Zügen der Wehmut – an meine Kurzhaarfrisuren (ich hatte sie ALLE). Etwa 45 Sekunden Zeit kosteten die mich täglich, manchmal auch nur einmal wöchentlich. Aber auch jetzt, wo meine meinen störrischen Charakterzügen sehr ähnlichen Haare die Kinnlinie passieren, passiert es mir nicht, dass ich wegen meiner Haare eher aufstehe. Die liegen von Natur aus so wie sie eben nicht liegen. Ich erzähle, dass ich morgens gerne früher aufstehe, um Yoga zu machen und ein bisschen zu meditieren. Schon als ich es ausgesprochen habe, fühle ich mich ein wenig freakig. Die anderen fragen, ob Yoga viele Kalorien verbrennt und ob es gut für die Figur ist. Ich muss ihnen gestehen, dass es mir nicht die Bohne darum geht. Was stimmt nicht mit mir?

Der kritische Punkt ist erreicht, an dem die nächste Frau in der Runde Wind davon bekommen hat, dass ich inzwischen aktives Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr bin. Also sie könnte das ja nicht, sagt sie. Und als ich noch so denke, dass sie sicherlich auf Rauch, Hitze, Blut und alles was bei Einsätzen noch so zu erblicken und zu erspüren sein könnte anspielt, haut sie mich mental um. Sie könne das ja nicht, nachts oder im Morgengrauen einfach so los. Ja, sage ich, nachts um zwei aufstehen zu müssen sei jetzt echt kein Spaß. Ich meine die Chronobiologie und dass man um solche Uhrzeiten nicht gerade auf der intellektuellen Höhe ist. Sie nicht. Sie fragt mich, wie ich es verkrafte, dass mich meine Kameraden dann so völlig ungeschminkt, unfrisiert und im Schlabberlook zu Gesicht bekommen. Darüber denke ich nicht nach. Was stimmt nicht mit mir? 

Mittwoch, 6. Februar 2019

Ziemlich beste Baustelle

Der Mann und ich haben jetzt eine gemeinsame Baustelle. Für mich ist das ein bisschen so wie meine Erklärung dafür, dass Menschen Kinder bekommen – es verbindet, einen gemeinsamen Feind zu haben.

Wobei. Es gibt so Momente… da stehe ich da und überlege, ob ich ihm nicht einfach eins mit der Schippe überbraten könnte und ihn dann verbuddeln, damit Ruhe ist und ich wieder mehr Freizeit und weniger Muskelkater habe. Dann fällt mir wieder ein und auf, wie viel Arbeit es macht einen Menschen zu verbuddeln, wie schwer meine Arme ohnehin schon von all der Schipperei sind, wie wenig Lust ich habe mich noch mehr anzustrengen … und ich verwerfe also mein mörderisches Potenzial wieder.

Es hindert mich aber nicht daran, ihn darauf hinzuweisen, dass ich gerade Lust verspüre, ihm mit der Schippe eins überzuziehen. Er findet das nur so semitoll. Offenheit in einer Beziehung wird scheinbar überbewertet.

Es ist rechnerisch so, dass ich seine bessere Hälfte bin. Anders ausgedrückt bringe ich die Hälfte seines Gewichts auf die Waage. Praktisch ausgedrückt bin ich also kein besonders fähiger Bauhelfer. Und auch mein Wissen ist äußerst dünn. Ich kann mit den wenigsten Begrifflichkeiten – Alligator, Phasenprüfer, UW-Profil, WTF – etwas anfangen. Und ich will es auch gar nicht.

Was ich will, ist meine neu gewonnenen Freundschaften pflegen. Ali und sein Angestellter von der Imbissbude gegenüber und ich sind ziemlich beste Freunde, was ich mit zwei vollen Döner-Bonuskarten an sechs Wochenenden belegen kann.

Ali wies mich am dritten Wochenende darauf hin, dass ich auch vorher anrufen könne und dann nicht so lange auf meine Bestellungen warten müsste. Ich erklärte ihm, dass ich nicht immer aussehe wie die Dust Lady, die den 11. September überlebte, sondern einfach nur eine Baustelle habe und auf dieser frei habe, solange ich Essen hole. „Aaaaaah“, machte Ali, zwinkerte wissend und fragt nun immer, wie viel Pause ich möchte, bevor er anfängt, die Rotkrautstreifen einzeln in das Fladenbrot zu dekorieren. Eine Baustelle verbindet eben.