Montag, 2. April 2018

Hipsterpärchenabendalarm

Schön. Urlaubstag. Ein italienisches Restaurant, das so gut ist, dass wir das zweite Mal in vier Tagen dort sind. Durch das Fenster kann man die See sehen. Die Sonne geht unter. Die Musik spielt sanft im Hintergrund. Öffnet sich die Küchentür duftet es stoßweise nach frischem Ciabatta. Der Büffelmozzarella zergeht auf der Zunge. Die Nudeln werden frisch gemacht. Die Karte bietet zu sehr fairen Preisen so viele Leckerbissen ... man würde sich am liebsten einmal durchfressen. Und die Kellner sind auf unaufdringliche Art freundlich wie die Sonne Italiens. Hach. Schön. 

Dann kommen sie. Hipster. Vier Stück. Portioniert in Pärchen. Sie parken ein besterntes Auto im Halteverbot und betreten das Restaurant. Drei von ihnen halten Smartphones in den Händen und den Kopf gesenkt, der vierte wenigstens den Schlüssel zum Auto. Sofort denke ich an irgendeinen Vater, der das alles bezahlt. Meine Synapsen feuern fröhlich eine Salve Vorurteile. Der weibliche und der männliche Hipster an sich in Reinform ... scheint mir.

Die Ers tragen diese Label-Mützen aus Strick auf dem Kopf und Basketballschuhe an den Füßen. Die kann man bestimmt schon im used look kaufen? Ich glaube nicht, dass die sie selbst so abgelatscht haben. Die Sies tragen entweder diese Stiefelletten mit dem Stoffeinsatz oder Sneaker - die Knöchel jeweils frei. Draußen sind kaum über null Grad und vom Meer kommt eisiger Wind. Ich komme nicht umhin mich zu fragen, wie die das eigentlich machen? 

Leidet der männliche Hipster nie an kalten Füßen oder trägt er vielleicht sehr dicke Socken drunter? Vielleicht diese ultrawarmen und wirklich sehr empfehlenswerten von der Bundeswehr? Hat der Hipster je Kontakt zum Bund gehabt? Ist der weibliche Hipster sehr abgehärtet oder trägt er vielleicht Thermosohlen? Oder hilft die fette Wolldecke, die er neuerdings um den Hals trägt? Oder der zu groß geratene Strickpulli?

Und dieser übliche Esmusssoscheißeungeplantaussehenundkostetechtvielmüheundarbeitsoverwuscheltzuwirken-Dutt auf dem Kopf? Dafür gibt es bestimmt Tutorials bei Youtube, die dem weiblichen Hipster beibringen, erst einen ballerinamäßigen Knoten zu binden und sich dann auf der Krone des Kopfes voran über einen mindestens drei Meter langen harten Teppich zu schieben? Oder ist das Ding schon so lange auf dem Kopf, dass mit den ersten Frühlingstagen Tschilpen von dort zu hören sein wird?

Sie nehmen nicht viel Platz weg im mit lauter normalen Menschen gefüllten Restaurant. Alle vier sind auf diese schlacksige Art dünn, die einem verrät, dass die Muskeln seit dem Schulsport gänzlich ungenutzt geblieben sind und körperliche Arbeit jetzt nicht so ihr Ding ist. Ich denke wieder an die Eltern, die das alles bezahlen. 

Erst einmal wird die Karte studiert und sich lautstark aufgeregt, dass eine bestimmte Marke Wasser nicht auf dieser zu finden ist. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass diese Marke zu der Art Wasser-Mafia gehört, die Menschen in Afrika das Wasser nimmt. Die Weinkarte fällt nach einiger Diskussion nicht so durch. Man bestellt was Rotes, kann den Namen, welchen ich schon wieder vergessen habe, natürlich schwunghaft italienisch aussprechen und sich anschließend in Fachsimpeleien verlieren, für die ich auch einem Sommelier Posing vorwerfen und ihm Prügel androhen würde.

Als Vorspeise kommt Salat. Dieser wird erst umdekoriert und dann fotografiert. Der weibliche Hipster scheint nach der Hälfte schon satt, wirkt aber insgesamt eher unfroh. Der männliche Hipster bekommt noch eine Pizza, welche allerdings nicht fotografiert wird, aber neidvoll vom weiblichen Hipster beäugt wird, bevor er beginnt, sich immer wieder kleine Stücken zu picken und schließlich doch die Hälfte der Pizza zu essen.

Sie sind satt. Sie predigen jetzt weder über Wasser noch Wein. Sie alle starren auf ihre Telefone, tippen, wischen, schmunzeln, der weibliche Hipster sieht sich vermutlich an Fotos satt. Erst verzögert bemerken sie den Kellner, der fragt, was es noch für Wünsche gibt. Der männliche Hipster fordert die Rechnung. Sie kommt. Alle vier beäugen sie, machen was aus und schließlich kramt der männliche Hipster sein Portemonnaie heraus, blättert es auf und lässt den Kellner demonstrativ auf die schwarze Kreditkarte blicken, bevor er centgenau bezahlt. 

Ich hoffe, dass der Kellner gute Kontakte zur Mafia hat und noch ein bisschen Erziehung nachgeholt werden kann... und wie gerne hätte ich die Hipster vorher fotografiert, aber mein Handy ist irgendwo ganz tief unten in der Tasche vergraben. Nie wird einer die Mozzarellawolke sehen. Schade.

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